Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisationen im Rahmen der Öffentlichen Konsultation des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Umsetzung der EU-Richtlinien im Urheberrecht (DSM-RL (EU) 2019/790 und Online-SatCab-RL (EU) 2019/789)
Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen (im Folgenden Allianz) nimmt im Rahmen der vom BMJV mit Schreiben vom 28. Juni 2019 erbetenen Stellungnahme zu ausgewählten Punkten betreffend die RICHTLINIE (EU) 2019/790 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutz-rechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (DSM- RL)1 (im Folgenden Richtlinie) einschließlich der Stellungnahme Deutschlands zu Artikel 17 dieser Richtlinie2 Stellung.
Die Gliederung der Stellungnahme wurde aus der Aufforderung des BMJV zur Stellungnahme übernommen.
Mit der Richtlinie wird eine Reihe von urheberrechtlichen Regelungen angestoßen, die die Interessen der Wissenschaft unterschiedlich stark betreffen. Mit dem vorliegenden Schreiben kommentiert die Allianz lediglich die nach ihrem aktuellen Kenntnisstand für die Wissenschaft besonders bedeutsamen Punkte. Aus diesem Grund nimmt die Allianz nur zu einer Auswahl der durch die Gliederung vorgegebenen Themen Stellung.
Die hier vorliegende Stellungnahme wird insbesondere durch eine spätere Stellungnahme zum erwarteten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie ergänzt werden.
I. Allgemeine Vorbemerkungen zur Richtlinie
Die Allianz vertritt als Repräsentantin der großen Wissenschaftsorganisationen in Deutschland die Interessen der Wissenschaft. Die durch die Richtlinie vorgegebenen Regelungsinhalte betreffend die Erlaubnis zur Anfertigung und Aufbewahrung von Vervielfältigungen für Text und Data Mining (im Folgenden TDM) ist nach Einschätzung der Allianz eine Regelungsmaterie mit erheblicher Bedeutung über die Interessen der Wissenschaft hinaus. Die in Deutschland geltende gesetzliche Regelung und die jetzt durch den europäischen Gesetzgeber vorgegebenen Änderungen folgen nach Einschätzung der Allianz einem grundsätzlich nicht umfassend zielführenden Regelungsansatz. Im Folgenden wird die Sichtweise der Allianz unabhängig von der spezifischen Kommentierung unter den einschlägigen Gliederungspunkten erläutert.
Die vom europäischen Gesetzgeber gesetzten Vorgaben für die Ausgestaltung einer TDM-Schranke beruhen auf der Annahme, die Möglichkeiten zur Anwendung von TDM müssten vor allem im Interesse der Forschungs- bzw. Innovationsförderung verbessert werden. Hierbei wurde übersehen, dass in der durch exponentiell zunehmende Datenmengen gekennzeichneten Informationsgesellschaft für alle gesellschaftlichen Gruppen die Befähigung zur Analyse großer Datenmengen (u. U. mit Hilfe von Dienstleistern) von zentraler Bedeutung ist. Damit korrespondiert das Interesse, durch das Urheberrecht nicht bei der Anwendung entsprechender Technologien behindert zu werden.
Rechteinhabern gesetzlich die Möglichkeit einzuräumen, durch Lizenzgestaltung oder technische Maßnahmen die computergestützte Auswertung von offen (Internet) oder legal (z.B. Subskription) zugänglichen Inhalten zu beschränken oder ganz auszuschließen, birgt das Risiko, die gleichberechtigte Teilnahme unterschiedlicher Stakeholder an öffentlichen Diskursen und speziell die Interessenvertretung in Genehmigungsverfahren und politischen Entscheidungsprozessen zu gefährden.
Die derzeit in Deutschland geltende TDM-Schranke und die jetzt vom europäischen Gesetzgeber vorgegebene Regelung schließt z.B. NGOs, die für das Funktionieren unserer Demokratie eine immense Bedeutung haben, von der Privilegierung aus.
Die erlaubnisfreie Anfertigung von Vervielfältigungen für TDM sollte statt über die Zweckbindung an Forschung über eine Erweiterung der Schranke für technisch bedingte vorüber-gehende Vervielfältigungen (§ 44a UrhG) ohne eine Form der Zweckbindung realisiert wer-den. Auch wenn die Rechtslage auf europäischer Ebene dem deutschen Gesetzgeber dies aktuell nicht erlaubt, plädiert die Allianz dafür, sich für die Eröffnung dieser Möglichkeit einzusetzen.
Die Verknüpfung der Erlaubnis zur Aufbewahrung von Vervielfältigungen, die für TDM benötigt werden, mit der Realisierung angemessener Vorkehrungen gegen eine missbräuchliche Nutzung dieser Vervielfältigungen sollte die Möglichkeit einschließen, die Vervielfältigungen von Dritten, die diese technischen Vorkehrungen organisieren können, aufbewahren zu lassen.
II. Gesetzlich erlaubte Nutzungen (Artikel 3 bis 7)
1. Text und Data Mining zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung (Artikel 2 Nummer 1 und 2, Artikel 3, 7)
Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die dauerhafte Speicherung und Nutzung von zum Zwecke von TDM hergestellten Vervielfältigungen erlauben, wenn angemessene Schutzbedingungen sicherstellen, dass diese Vervielfältigungen ausschließlich von dazu berechtigten Personen genutzt werden können. Anders als in § 60d Abs. 3 UrhG ist die Berechtigung zur dauerhaften Speicherung nicht auf eine Untermenge der zur Herstellung der Vervielfältigungen berechtigten Institutionen beschränkt.
Die in Artikel 3 der Richtlinie vorgesehene Privilegierung von Einrichtungen des Kulturerbes sind aus unserer Sicht in § 60d UrhG einzufügen. In § 60h Abs. 2 UrhG sind die Nutzungen aufgrund von § 60d UrhG als vergütungsfrei zu ergänzen.
Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten darüber hinaus die Aufbewahrung der Vervielfältigungen auch durch andere als durch die zur Vervielfältigung berechtigten Einrichtungen erlauben. Daher muss im nationalen Recht die Beschränkung auf die in §§ 60e und 60f UrhG genannten Einrichtungen und daneben die Löschpflicht zurück-genommen werden. Nach dieser Anpassung kann das Speichern von TDM-Vervielfältigungen auch an Unternehmen ausgelagert werden. Dies ermöglicht Wissenschaftler*innen die Speicherung entsprechender Inhalte, auch wenn die eigene Wissenschaftsorganisation keine Speichermöglichkeit mit angemessenen Schutzvorkehrungen bereitstellt.
Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie soll das Korpus „zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung, auch zur Überprüfung wissenschaftlicher Erkenntnisse“ aufbewahrt werden dürfen. Auch wenn in der Richtlinie eine ausdrückliche Erlaubnis (Schranke) der Verfügbarmachung für diese Zwecke fehlt, wird sich diese aus einer ergänzenden Auslegung der vorgenannten Begrifflichkeit ergeben. Dem entsprechend sollte in § 60d UrhG klargestellt werden, dass und in welcher Form die speichernden Einrichtungen Dritten für diese Zwecke den Zugriff auf das gespeicherte Korpus erlauben dürfen. Der Wortlaut des § 60d Abs. 3 UrhG („zur Aufbewahrung“) spricht aus unserer Sicht bisher eher gegen die Möglichkeit der o.g. Nachnutzung.
Aus einem Umkehrschluss u. a. zu Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie (mögliche Vergütung für die digitalen Unterrichts- und Lehrtätigkeiten) ergibt sich, dass die Richtlinie für TDM keine Vergütungspflicht zulässt. Daher ist in § 60h Abs. 2 UrhG das Anfertigen von Vervielfältigungen für TDM gemäß § 60d UrhG als vergütungsfreie Nutzung zu ergänzen.
§ 60d UrhG sollte im Zuge der notwendigen Novellierung so angepasst werden, dass deutlich wird, dass die Nachnutzung der gespeicherten Inhalte nicht auf die Personen beschränkt wird, die die ursprüngliche Vervielfältigung verantwortet haben. Dies dient sowohl einem reibungslosen Ablauf des Forschungsprozesses als auch der Entlastung der Server der Inhalte-Anbieter, denn lokal nachgenutzte Inhalte müssen nicht erneut von den Servern der Inhalte-Anbieter heruntergeladen werden.
Die in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie geforderten Anforderungen an Sicherheitsvorkehrungen sind aufgrund Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie auf das notwendige Minimum zu beschränken. Überhöhte Anforderungen würden das Regelungsziel des Artikels aushöhlen. Die Bundesregierung sollte deshalb gemäß Abs. 4 auf eine Standardisierung, nach Möglichkeit europaweit, hinwirken. Ohne eine europaweite Standardisierung könnten internationale Forschungskooperationen belastet werden.
2. Kommerzielles Text und Data Mining (Artikel 2 Nummer 2, Artikel 4, 7)
Die Allianz begrüßt, dass der europäische Gesetzgeber durch Art. 4 der Richtlinie zu er-kennen gibt, dass er sich der Problematik der in Art. 3 Richtlinie formulierten Zweckbindung bewusst ist.
Für die Wissenschaft ist wichtig, dass der Datenaustausch und die gemeinsame Nutzung von Methoden wie TDM für alle Forschungsorganisationen, die entweder nicht gewinnorientiert sind oder in staatlich anerkanntem Auftrag im öffentlichen Interesse handeln, sowie in Forschungsprojekten mit öffentlich finanzierten und gewerblichen Partnern gewährleistet werden.
Im Übrigen wird auf die grundsätzlichen Überlegungen, die unter I. Allgemeine Vorbemerkungen zur Richtlinie dargestellt sind, verwiesen.
3. Grenzüberschreitende Unterrichts- und Lehrtätigkeiten (Artikel 5, 7)
Zu Art. 5:
Von der in der Richtlinie eingeräumten Möglichkeit, Lehrbücher ganz oder teilweise aus dem Bereich der gesetzlichen Erlaubnis auszunehmen, sollte kein Gebrauch gemacht wer-den. Wie von der Allianz wiederholt (u.a. auch im Rahmen der Novellierung des UrhG) vorgetragen wurde, wird beim akademischen Publizieren eben nicht klar zwischen Lehre und Forschung unterschieden. Dies widerspräche auch dem für die deutschen Universitäten prägenden humboldtschen Ideal der Einheit von Bildung und Forschung. Jedes klassische Lehrbuch im Wissenschaftsbereich wird mit dem Anspruch geschrieben, auch einen Beitrag zur Forschung zu leisten. Beispielsweise dienen Forschungsberichte, in denen neue Methoden beschrieben werden, auch der Weiterbildung und werden breit zur Kenntnis genommen. Jede Ausnahme von Lehrbüchern aus dem Bereich der gesetzlichen Erlaubnisse gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie würde dieses – besonders in Deutschland weit verbreitete – Grundverständnis von wissenschaftlicher Lehrtätigkeit unangemessen tangieren und auf Ablehnung in der Wissenschaft stoßen. Es ist auch unwahrscheinlich, dass damit dem Absatz von Lehrbüchern gedient wäre, da dann verstärkt auf Werke ausgewichen würde, die von der Erlaubnis erfasst sind.
Lehrende müssen die Materialien, die sie für ihren Unterricht (z.B. in digitalen Semesterapparaten) nutzen wollen, eigenständig und hindernisfrei aussuchen dürfen. Der Gesetzgeber sollte die Wissenschafts- und Lehrfreiheit nicht durch eine obligatorische Auswahl von Werken auf Lizenzierungsplattformen gefährden. Dabei darf nicht nur der nationale Lehrbuchmarkt betrachtet werden: Insbesondere auf ausländischen Buchmärkten, die für Hochschulen eine immer größere Rolle spielen, können andere Merkmale für die Definition von Lehrbüchern gelten als für deutschsprachige Studienbücher.
Zu Art. 7 Abs. 1: Zwingendes Recht
Die Allianz begrüßt, dass die Erlaubnisse der Art. 3, 5 und 6 der Richtlinie zwingend aus-gestaltet werden müssen. Nur durch den Vorrang der gesetzlichen Regelung(en) gegen-über Vertragsbestimmungen kann eine echte Harmonisierung erfolgen.
4. Erhaltung des Kulturerbes (Artikel 2 Nummer 3, Artikel 6, 7)
III. Vergriffene Werke (Artikel 8 bis 11)
1. Erlaubte Nutzungen (Artikel 8 Absatz 1 bis 6)
Bei Werken, die auf den üblichen Vertriebswegen für die Öffentlichkeit nicht erhältlich sind (vergriffene Werke), kann davon ausgegangen werden, dass durch deren Nutzung durch Einrichtungen des Kulturerbes nicht in die Verwertungsinteressen der Rechteinhaber ein-gegriffen wird. Dies gilt unabhängig vom Zeitpunkt der Erstpublikation eines Werkes. Gleichzeitig besteht ein großes wissenschaftliches Interesse an Zugriffsmöglichkeiten auf diese Werke, seien es wissenschaftliche oder andere Werke. Daher wäre es zielführend, jetzt den bisher in §§ 51 ff. VGG bestehenden Zeitschnitt (1966) für die Nutzung vergriffener Werke zu streichen.
Als außerordentliches Hindernis für die zeithistorische Forschung hat sich ebenfalls die Nicht-Nutzbarkeit von Zeitungen und Zeitschriften im Rahmen der bisherigen Regelung erwiesen, die die Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften notwendig macht. Neben einer klaren und einfachen Schranken-Erlaubnis sollten die Gesetzgebungsorgane durch entsprechende Änderungen des VGG die Nutzung vergriffener Zeitungen und Zeitschriften faktisch ermöglichen.
Durch den neuen § 60e Abs. 5 UrhG, der u.a. Zeitungen von der Erlaubnis des Kopienversands durch Bibliotheken ausnimmt, sind erhebliche Probleme nicht nur für die historische Forschung entstanden. Vergriffene Zeitungen können daher nur noch vor Ort konsultiert und kopiert werden. Das ist im digitalen Zeitalter nicht angemessen. Mindestens müsste § 60e Abs. 5 UrhG an die §§ 60a Abs. 2 und § 60c Abs. 3 UrhG angepasst und um vergriffene Werke und Werke geringen Umfangs erweitert werden.
2. Ausnahmen (Artikel 8 Absatz 7)
3. Grenzüberschreitende Nutzung (Artikel 9)
4. Zentrales Online-Portal (Artikel 10)
5. Dialog der Interessenträger (Artikel 11)
IV. Kollektive Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung (Artikel 12)
1. Fakultative Umsetzung (Umsetzungsbedarf?)
2. Anwendungsbereiche (Artikel 12 Absatz 2)
3. Ausgestaltung des Lizenzvergabeverfahrens (Artikel 12)
V. Verhandlungsmechanismus für Video-Abrufdienste (Artikel 13)
VI. Gemeinfreie Werke der bildenden Kunst (Artikel 14)
Bei wissenschaftlichen Publikationen kommt es bei der Verwendung, von – beispielhaft genannten – Scans der Fotografien von Gemälden immer wieder zu einer erheblichen Rechteklärungs-Problematik, die teilweise sogar einen Großteil der Arbeit an einer kunst-historischen Dissertation ausmachen kann, und zwar trotz der an sich erfreulichen Neuregelung in § 51 S. 3 UrhG, die das („Mit“-) Zitieren der Abbildung des zitierten Werkes erlaubt. Das Zitatrecht ist bei der Nutzung von Bildern in Publikationen trotzdem häufig nicht funktional, weil die Abgrenzung zwischen Zitat und Illustration im Einzelfall problematisch bleibt. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass § 51 S. 3 UrhG beim „Mit“-zitieren der Abbildungen bereits gemeinfreier Werke ohnehin nicht greift. Denn die gemeinfreien Gemälde fallen erst gar nicht unter den Urheberrechtsschutz und damit auch nicht unter § 51 UrhG.
Es sollte in § 72 UrhG klargestellt werden, dass für Reproduktionen zwei- und dreidimensionaler Werke (Fotografien, 2D- und 3D-Scans), die das Ziel haben, diese möglichst originalgetreu darzustellen, kein eigener Leistungsschutz (oder Urheberrechtsschutz) entsteht.
VII. Leistungsschutzrecht des Presseverlegers (Artikel 2 Nummer 4 und 5, Artikel 15)
Die Umsetzung von Art. 15 der Richtlinie sollte so erfolgen, dass für den Bereich Wissenschaft und Bibliothek möglichst wenige Rechtsunsicherheiten erzeugt werden. Dies gilt für die Frage, ob und gegebenenfalls wie Wissenschaftseinrichtungen und Einrichtungen des Kulturellen Erbes von Art. 15 der Richtlinie überhaupt adressiert werden und wie weit das neue Leistungsschutzrecht reicht. Unnötige Grauzonen können die wissenschaftliche Publikationstätigkeit und Quellen-Nachweise treffen und damit die Forschung insgesamt behindern.
Mit dem neuen EU-Leistungsschutzrecht würden alle Inhalte von „Zeitungen oder Magazinen von allgemeinem oder besonderem Interesse“ pauschal rechtlich geschützt – und zwar ohne die urheberrechtliche Schutzvoraussetzung der „persönlichen geistigen Schöpfung“. Als Untergrenze für das neue Recht ist in Art. 15 der Richtlinie nur genannt, dass das „Setzen von Hyperlinks“ und die „Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus einer Presseveröffentlichung“ vom Schutz ausgenommen sind.
Der Versuch der begrifflichen Konkretisierung des Schutzgegenstandes „Presseveröffentlichung“ in Erwägungsgrund 58 der Richtlinie ist nicht ausreichend. Mögliche Versuche der Gesetzgeber der Mitgliedstaaten hier weiter zu konkretisieren, sollten EU-weit abgestimmt werden.
Alles, was über Hyperlinks und „sehr kurze Abschnitte“ (kürzer als Google-Snippet) hin-ausgeht, darf ohne Lizenz oder Ausnahme (wie z.B. das unsicherheitsbehaftete Zitatrecht) in Veröffentlichungen, die im Internet zugänglich sind, nicht genutzt werden. Dies beeinträchtigt Forschung, Lehre sowie die Arbeit auf der Bibliotheken:
Bei der Umsetzung der Richtlinie sollte – mit Blick auf die Auswirkungen für Forschung und Lehre (einschließlich der Bibliotheken) – im nichtkommerziellen Bibliotheks-, Lehr- und Forschungsbereich so weit wie möglich für Rechtssicherheit gesorgt werden, um Neuentwicklungen nicht zu behindern. Unter die Adressatenbeschreibung fällt „….jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.“ Dabei schließt „in der Regel gegen Entgelt“ nichtkommerzielle Dienste nicht unbedingt aus. Zwar sind staatliche Tätigkeiten „insbesondere in den Bereichen Soziales, Kultur, Bildung und Justiz“ ausgenommen3, private Universitäten inklusive ihrer wissenschaftlichen Bibliotheken sind jedoch weiterhin betroffen. Ebenso können bei Projekten in Public-Private-Partnerships Unsicherheiten entstehen. Damit würden prinzipiell auch Online-Dienstleistungen von Bibliotheken, Hochschulen und anderen Bildungs- und Kultureinrichtungen tangiert, die z.B. in Katalogen Zeitungsartikel nachweisen oder deren Wissenschaftler*innen in Literaturverzeichnissen von Onlinepublikationen Zeitungsartikel aufführen.
Nach Art. 15 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie wird das neue Leistungsschutzrecht nicht verletzt, wenn die Nutzung der geschützten Inhalte durch „die private oder nicht-kommerzielle Nutzung von Presseveröffentlichungen durch einzelne Nutzer“ erfolgt. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte diese Bestimmung durch Regelbeispiele weiter konkretisiert wer-den. Nach Einschätzung der Allianz fällt die Nutzung im Rahmen nicht-kommerzieller Forschung in die zitierte Definition. Die nicht-kommerzielle Forschung sollte deshalb als ein Regelbeispiel gelistet werden.
VIII. Verlegerbeteiligung (Artikel 16)
IX. Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen (Artikel 2 Absatz 6, Artikel 17 sowie Erklärung Deutschlands vom 15. April 2019)
Neben der Frage, ob von Wissenschaftsorganisationen betriebene Online-Plattformen von Art. 17 der Richtlinie betroffen sind, ist für die die Wissenschaft von zentraler Bedeutung, wie sich Art. 17 der Richtlinie auf die Möglichkeit von Wissenschaftler*innen zur Nutzung der betroffenen Plattformen auswirkt. Wissenschaftler*innen nutzen in großer und steigender Anzahl Dienste wie YouTube oder ResearchGate u. ä. als Publikations-, Kommunikations- und Rezeptionsorte. Upload-Filter bzw. Over-Blocking bedrohen deshalb nicht nur die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit im Allgemeinen, sondern auch speziell die wissenschaftliche Kommunikation und damit die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft.
Aus Sicht der Allianz ergeben sich folgende Anforderungen:
- Personen, deren hochgeladene Inhalte blockiert werden, müssen unmittelbar über die Blockade und den Grund hierfür informiert werden.
- Es müssen einfache und kostenfreie Widerspruchsmöglichkeiten gegen das Blocking von Inhalten geschaffen werden, um Rechte wie das Zitatrecht auch zügig durchsetzen zu können.
- Für die Bescheidung der Widersprüche müssen verbindliche Fristen festgelegt werden.
- Anzahl und die Gründe für die Blockade von Inhalten sollten öffentlich dokumentiert werden, um mögliche Dysfunktionen zeitnah erkennen und aufgrund konkreter Fakten öffentlich diskutieren zu können.
- Unberechtigte Blockaden sollten mit Schadensersatzansprüchen verbunden werden, um wirtschaftliche Anreize zur Verhinderung von Over-Blocking zu setzen.
- Rechtsverletzungen durch unberechtigtes Hochladen von Inhalten auf Online-Plattformen sollten nur in Fällen von grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln und tatsächlich entstandenen wirtschaftlichen Schäden oberhalb einer Bagatellgrenze geahndet werden.
1. Erfasste Plattformen, Handlung der öffentlichen Wiedergabe (Artikel 2 Absatz 6, Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1, Absatz 3)
Nach dem Verständnis der Allianz von ErwGr. 62 und Art. 2 Abs. 6 der Richtlinie sollen Online-Plattformen, die von staatlich finanzierten Wissenschaftsorganisationen betrieben werden, von Art. 17 der Richtlinie nicht betroffen sein. Aus Sicht der Allianz ist es von zentraler Bedeutung, möglichst konkret, am besten mit einer White-List, die Plattformen zu benennen, die von Art. 17 der Richtlinie betroffen sein sollen. Wenn der Artikel auf das Unterbinden massenhafter Rechtsverletzungen auf sehr großen und kommerziell agieren-den Online-Plattformen zielt, ist die Forderung nach einer White-List umsetzbar.
2. Lizenzierung (Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 2, Absatz 2)
3. Wegfall der Verantwortlichkeit (Artikel 17 Absätze 4 und 5)
4. Start-Up-Ausnahme (Artikel 17 Absatz 6)
5. Erlaubte Nutzungen (Artikel 17 Absatz 7)
6. Informationspflichten (Artikel 17 Absatz 8)
7. Beschwerdemechanismus (Artikel 17 Absatz 9)
8. Sonstige Fragen der Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen
9. Erklärung Deutschlands vom 15. April 20194
Die Allianz begrüßt die Protokollerklärung der Bundesregierung. Eine weitergehende Beurteilung der in der Erklärung formulierten Positionen kann erst nach deren Konkretisierung in einem Gesetzentwurf erfolgen.