Stellungnahme 2. Februar 2024

Allianz fordert Beachtung der zentralen Rolle von Grundlagenforschung bei Genehmigungsverfahren für Tierversuche

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Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen zeigt sich besorgt darüber, dass bei einzelnen Genehmigungsverfahren für Tierversuche die Rolle und Bedeutung der Grundlagenforschung missverstanden wird. Dies legt zum Beispiel die Begründung der Ablehnung eines Tierversuchsgenehmigungsantrags zur Kognitionsforschung durch die zuständige Genehmigungsbehörde des Landes Bremen nahe.

Der Antrag auf Fortführung der Versuche mit nicht-humanen Primaten im Bereich der Kognitionsforschung war im November 2023 von der zuständigen Bremer Behörde abgelehnt worden mit der Erklärung, die Belastung der Versuchstiere sei durch den angestrebten Erkenntnisgewinn nicht zu rechtfertigen und eine klinische Verwendbarkeit der Ergebnisse zeitnah nicht absehbar. Daher sei das Versuchsvorhaben ethisch nicht vertretbar.

Die Begründung der Behörde ist aus Sicht der Wissenschaftsorganisationen in mehrfacher Hinsicht problematisch. Sie könnte weitreichende Folgen über den Einzelfall hinaus haben und die Vertretbarkeit jeglicher Tierversuche in der Grundlagenforschung in Frage stellen. Grundlagenforschung liefert den Erkenntnisgewinn, ohne den technische Innovationen, medizinischer Fortschritt und das Verständnis der biologischen Grundlagen unmöglich sind, auch wenn sie gerade dadurch charakterisiert ist, dass sie keine zeitnahe Anwendung versprechen kann. Die Grundlagenforschung ist somit von zentraler Bedeutung für Wissenschaft und Gesellschaft. Dementsprechend ist sie im Rahmen der Freiheit von Wissenschaft und Forschung grundgesetzlich geschützt.

Die sorgsame Güterabwägung zwischen dem Leid der Tiere auf der einen Seite und dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn auf der anderen Seite im Rahmen von Tierversuchsgenehmigungsverfahren muss immer wieder neu erfolgen. Tierversuche, zu denen auch Untersuchungen an nicht-humanen Primaten gehören können, stellen in der lebenswissenschaftlichen Forschung nach wie vor einen essenziellen Teil des vielfältigen Methodenspektrums dar und sind für den grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn unerlässlich. Zentraler ethischer Leitgedanke ist dabei das 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine): Tierversuche werden komplementär nur dann eingesetzt, wenn keine geeigneten tierfreien Methoden existieren. Sie erfolgen unter Wahrung höchster Tierschutzstandards, um die Zahl der eingesetzten Tiere und deren Belastung zu minimieren. Für den Prozess einer ausgewogenen Güterabwägung fordert die Allianz, dass der Wert von Grundlagenforschung angemessen gewürdigt wird und für die Belastungseinschätzung auf Seiten der Tiere objektivierbare wissenschaftsbasierte Kriterien herangezogen werden.

Die Wissenschaftsorganisationen appellieren an alle im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Tierversuche beteiligten Akteure, bei der komplexen Aufgabe der Berücksichtigung beider Güter – der Wissenschaftsfreiheit und des Tierschutzes – mit der gebotenen Sorgfalt und Ausgewogenheit vorzugehen.

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