Statement 16 April 2021

Alliance of Science Organisations in Germany: Statement on the VAT treatment of joint appointments and cooperations between universities and non-university research institutions

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Mit der Verzahnung zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AUF) wurde in Deutschland ein international besonderes Instrument geschaffen, das einen wesentlichen Grundpfeiler für den Erfolg des deutschen Wissenschaftssystems darstellt. Nukleus dieser Verzahnung sind die sogenannten Gemeinsamen Berufungen, durch welche die Besetzung eines Lehrstuhls an einer Hochschule verknüpft wird mit der Besetzung einer Leitungsfunktion an einer AUF. Sie sind der Ausgangspunkt einer tiefgreifenden Kooperation zwischen Hochschule und AUF, die sich letztlich in einer Vernetzung mit aufeinander abgestimmter Planung von wissenschaftlichen Themen, Personal und Infrastruktur widerspiegelt.

Inzwischen weit mehr als eintausend Gemeinsame Berufungen und die sich daraus ergebenden Kooperationen bezeugen tagtäglich die hohe wissenschafts- und innovationspolitische Bedeutung dieses Modells: es hat unter anderem positive Effekte auf die Steigerung der wissenschaftlichen Exzellenz, auf die Gewinnung von ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die hochwertige Qualifizierung von wissenschaftlichem Nachwuchs und auf den Aufbau von regionalen Kompetenznetzwerken und Clustern. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen nimmt deshalb mit großer Sorge aktuelle umsatzsteuerrechtliche Verlautbarungen des Bundesministeriums der Finanzen zur Kenntnis, durch welche dieses Erfolgsmodell ernsthaft gefährdet ist.

Dies gilt zum einen für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Gemeinsamen Berufungen nach dem „Berliner Modell“, das – aus unserer Sicht unzutreffend – als eine Personalgestellung angesehen wird. Zum anderen haben die Verlautbarungen aber auch erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf die Kooperation im Allgemeinen ausgelöst, beispielsweise was die Frage der gemeinsamen Nutzung von Geräten anbelangt. Agile Kooperationen mit dem gemeinsamen Zweck, Erkenntnisse der Lehre und der Grundlagenforschung unter gemeinsamer Ressourcennutzung und ständiger Vernetzung in die Anwendung zu bringen – so wie dies gerade bei vielen COVID-Forschungsprojekten der Fall ist – würden nicht nur finanziellen, sondern vor allem bürokratischen und administrativen Hürden ausgesetzt werden. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Fruchtbare Ideen könnten damit bereits im Keim erstickt werden. Die erfolgreichen gemeinsamen Bemühungen der letzten Jahre, einer Versäulung des Wissenschaftssystems entgegenzuwirken, würden damit konterkariert.
Aus Sicht der Allianz der Wissenschaftsorganisationen erlauben sowohl das deutsche Umsatzsteuerrecht als auch das dahinterstehende EU-Recht verschiedene andere Lösungsmöglichkeiten. Insbesondere eine Innen-GbR würde die Möglichkeit eröffnen, eine Nichtsteuerbarkeit zu erreichen, ohne dabei den EU-rechtlich sensiblen § 2b UStG zu adressieren.

Wegen der erheblichen Relevanz nicht nur für die Berufung nach dem Berliner Modell, sondern auch für die Kooperation im Allgemeinen, hält es die Allianz der Wissenschaftsorganisationen für dringend geboten, dass die Finanzministerien sich dieser Thematik nochmals im Austausch mit den beteiligten Akteuren des Wissenschaftssystems annehmen. Idealerweise könnte dann ein breit aufgestellter, verbindlicher Konsens hergestellt werden, der die umsatzsteuerlichen Regelungen mit Augenmaß und den Besonderheiten des Wissenschaftsbereichs adäquat anwendet.

Anlage: Ausführliche Herleitung und Begründung

I. Gemeinsame Berufungen und Kooperationen zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AUF)

Die Vernetzung ihrer Akteure ist ein wesentlicher Grund für den Erfolg des deutschen Wissenschaftssystems. Ein zentrales Element und deutsches Erfolgsmodell dieser Vernetzung im Wissenschaftssystem sind Kooperationen zwischen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen, insbesondere in der international besonderen Form von Gemeinsamen Berufungen1.

Kooperationen im Allgemeinen und Gemeinsame Berufungen im Besonderen wirken strukturell einer „Versäulung“ des Wissenschaftssystems entgegen; ihre hohe wissenschafts- und innovationspolitische Bedeutung ist nicht zuletzt im Rahmen der Exzellenzstrategie deutlich geworden. „Vernetzung vertiefen“ ist darüber hinaus auch eines der fünf forschungspolitischen Ziele im Pakt für Forschung und Innovation IV zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftssystems und damit des Standorts Deutschland.

Gemeinsame Berufungen und Kooperationen wirken sich positiv auf die Steigerung der wissenschaftlichen Exzellenz der beteiligten Einrichtungen sowie die nachhaltige Entwicklung regionaler Kompetenzwerke und Cluster aus. Durch die enge Verzahnung werden die Profile der Einrichtungen geschärft, im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte können hier sowohl bei der Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs als auch bei der Gewinnung ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachdrückliche Impulse gesetzt werden.

Dieses Erfolgsmodell spiegelt sich in beeindruckenden Zahlen wider: AUF und Hochschulen haben ihre enge Kooperation durch über eintausend Gemeinsame Berufungen manifestiert, was den Berufenen z.B. beim Berliner Modell die vollen akademischen Rechte und Pflichten an der Hochschule erhält und somit eine enge Einbindung in die Hochschule ermöglicht. Hierbei ist es gerade die Vielfalt der verschiedenen Modelle Gemeinsamer Berufungen, die es ermöglicht, zwischen den beteiligten Akteuren eine individuell passfähige Lösung im Einzelfall zu finden. Diese Flexibilität steigert erheblich die Attraktivität der Berufung für die berufene Person und erleichtert deshalb entscheidend die Gewinnung von wissenschaftlichem Spitzenpersonal.

Die engen Kooperationsbeziehungen und Verzahnungen, die nicht nur Aufgabe des Paktes für Forschung und Innovation, sondern auch eine intendierte Folge der Exzellenzstrategie sind, sind durch aktuelle umsatzsteuerrechtliche Auslegungen des Bundesfinanzministeriums in Gefahr.

Dies gilt besonders für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung des „Berliner Modells“, jedoch grundsätzlich auch für die anderen Formen gemeinsamer Berufungen und für die Kooperation zwischen Hochschule und AUF im Allgemeinen. Denn die zusätzliche steuerliche Belastung würde zum einen dazu führen, dass ein Teil des finanziellen Aufwuchses aus dem Pakt für Forschung und Innovation für Steuerzahlungen aufgezehrt wird. Zum anderen aber würden durch eine Umsatzsteuerbarkeit der Kooperation künstlich administrative Hürden aufgebaut, durch welche Kooperationen künftig in der Praxis erheblich behindert würden.

Aus Sicht der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sollten daher die umsatzsteuerlichen Regelungen mit Augenmaß und den Besonderheiten des Wissenschaftsbereichs adäquat angewandt werden. Die folgenden Ausführungen zeigen dabei auf, dass dies steuerrechtlich möglich wäre.

II. Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des „Berliner Modells“

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des „Berliner Modells“, das eine besonders starke Verzahnung zwischen Hochschule und außeruniversitärer Forschungseinrichtung ermöglicht (Berufung auf eine Professur an einer Hochschule und Zuweisung der gemeinsam berufenen Person zur Wahrnehmung von Forschungs- und Leitungsaufgaben zur Forschungseinrichtung), vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Unternehmereigenschaft der jeweiligen Hochschule gemäß § 2 Abs. 1 UStG regelmäßig vorliegt, wenn im Rahmen der gemeinsamen Berufung eine Personalgestellung des Berufenen von der Hochschule an die Forschungseinrichtung erfolgt. Dies führt offenbar nach Ansicht der Finanzverwaltung zu einer grundsätzlichen Umsatzbesteuerung des Modells. Dieser Schluss ist allerdings rechtlich in keiner Weise zwingend:

  • Bereits die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft der Hochschule ist fraglich, da die Hochschule im Rahmen der Kooperation mit der AUF wissenschaftliche Zwecke verfolgt und im Eigeninteresse handelt.
  • Eine umsatzsteuerbare Personalgestellung durch die Hochschule an die AUF erscheint aufgrund der besonderen Stellung der Hochschullehrerinnen und -lehrer ausgeschlossen.
  • Eine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG liegt nicht vor, da es sich bei den von der Hochschule und der AUF im Rahmen der Forschungskooperation erbrachten Beiträgen um nicht umsatzsteuerbare (echte) Gesellschafterbeiträge handelt.

1) Unternehmereigenschaft i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG

Zwar liegt eine wirtschaftliche Tätigkeit der AUF bzw. der Hochschule vor, soweit sich die Ergebnisse der Kooperation im Außenverhältnis, d.h. in einer entgeltlichen Auftragsforschung für einen privaten oder öffentlichen Auftraggeber, manifestieren.2 Im Innenverhältnis zwischen Hochschule und AUF hingegen dient die Kooperation als Mittel der gemeinsamen bzw. abgestimmten Durchführung von Forschung und Lehre im jeweiligen Eigeninteresse der Beteiligten. Schon der wissenschaftliche Auftrag3 der Hochschule zur Kooperation steht einer wirtschaftlichen Veranlassung dieser entgegen4, da beide Kooperationspartner an der wissenschaftlichen Tätigkeit des „janusköpfig“ Berufenen partizipieren und dies vom Gesetzgeber auch so gewollt ist. So dient die Kooperation etwa der beidseitigen Steigerung der wissenschaftlichen Exzellenz und Reputation.

Es ist für die Frage der Unternehmereigenschaft nicht entscheidend, inwieweit die von der AUF oder der Hochschule betriebene Forschung eher wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Kooperation mit der Hochschule wissenschaftlichen Zwecken dient. Letzteres ist zu bejahen. Die Hochschule handelt deshalb auch bei Anwendung des neuen § 2b UStG im Rahmen der öffentlichen Gewalt.5 „Größere Wettbewerbsverzerrungen“ bestehen dabei nicht, da kein Markt für die Berufung von Professorinnen und Professoren in ein Beamtenverhältnis existiert.6 Die Kooperationspartner handeln mit dem Ziel des Erkenntnisgewinns aus der gemeinsamen Forschung, also nicht als Unternehmer.
Selbst wenn Hochschulen als Unternehmer i.S.d. UStG zu qualifizieren wären, ist die gemeinsame Berufung im Berliner Modell jedenfalls nicht als „sonstige Leistung“ i.S.v. § 3 Abs. 9 UStG anzusehen.

2) Keine „sonstige Leistung“ i.S.v. § 3 Abs. 9 UStG

Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der gemeinsamen Berufung um eine „Personalgestellung“ der Hochschule an die AUF handelt, wobei die Hochschule den Berufenen gegen Erstattung der angefallenen Personalkosten an die außeruniversitäre Forschungseinrichtung überlässt.

a. Personalgestellung

Der Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) definiert als Gestellung von Personal die „entgeltliche Überlassung von weiterhin beim leistenden Unternehmer angestellten Arbeitnehmern an einen Dritten […], welcher das Personal für seine Zwecke einsetzt. Dabei muss der Leistungsempfänger in der Lage sein, das Personal entsprechend seines Weisungsrechts einzusetzen.“

Diese Definition mag im Einzelfall auf Arbeitnehmerüberlassungen oder beamtenrechtliche Abordnungen zutreffen, lässt sich jedoch nicht auf den Sonderfall der Hochschullehrerinnen und -lehrer übertragen, deren Tätigkeit – verfassungsrechtlich abgesichert7 – weitgehend unabhängig erfolgt, wodurch sowohl Weisungsrechte gegenüber den Hochschullehrerinnen und -lehrern als auch die Versetzungsmöglichkeiten stark eingeschränkt bzw. ausgeschlossen werden.8 Hochschullehrerinnen und -lehrer werden im Berliner Modell “der Forschungseinrichtung zur Dienstleistung zugewiesen“. Die „Zuweisung“ (§ 29 BBG) ist streng von „Versetzung“ (§ 28 BBG) und „Abordnung“ (§ 27 BBG) zu unterscheiden. Die beiden letztgenannten Instrumente können zwischen AUF und Hochschule keine Anwendung finden, weil sie auf beiden Seiten eine Dienstherreneigenschaft voraussetzen. Von einer „Überlassung“ kann schon deshalb in diesem Fall, anders als etwa bei Beamtinnen und Beamten9 des Polizeivollzugsdienstes, nicht die Rede sein.

Die gemeinsam berufene Person übt die Funktion in der AUF im Rahmen ihrer von der Hochschule festgelegten Dienstaufgaben (hier: Forschung = Haupttätigkeit) aus. Dadurch wird der „Leistungsempfänger AUF“ stark in seiner Disposition eingeschränkt, die/den Berufenen überhaupt entsprechend seines Weisungsrechts einzusetzen. Erschwerend (für eine Subsumtion unter die Definition „Gestellung von Personal“) kommt an dieser Stelle hinzu, dass die/der Berufene das „Hochschullehrerprivileg“ besitzt und somit die „Weisungsrechte“ des „Leistungsempfängers AUF“ faktisch bis auf „Null“ reduziert sind. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass die Bezügezahlungen durch die Hochschule erfolgen.
Die Regelbeispiele in Abschn. 2.11 Abs. 15 Beispiele 3 bis 5 UStAE sind somit auf das Rechtsverhältnis einer Hochschullehrerin bzw. eines Hochschullehrers i.S.v. § 43 HRG nicht anwendbar.

b. (Sonstige) Kooperationsleistung

Eine außerhalb der Personalgestellung grundsätzlich denkbare sonstige Leistung i.S.v. § 3 Abs. 9 UStG liegt aus mehreren Gründen ebenfalls nicht vor.
Letztlich handelt es sich einerseits um eine reine Kostenverauslagung durch die Hochschule: Die Hochschule übernimmt als „Zahlstelle“ für die AUF die gesamte Vergütung der Hochschullehrerinnen und -lehrer, um die Abrechnung insbesondere hinsichtlich der Versorgungszuschläge zu vereinfachen.

Es liegt dabei schon kein Leistungswille gegenüber der AUF vor. Die Hochschule handelt vielmehr im universitären Eigeninteresse, um die Forschungskooperation attraktiv zu gestalten. Es erfolgt keine Verschaffung eines verbrauchsfähigen Vorteils, sondern es handelt sich um die Wahrnehmung eigener Interessen/Ziele zur Steigerung der Reputation der Universität. Denn erst hierdurch wird ein hochspezialisiertes Lehrangebot sowie eine Steigerung der wissenschaftlichen Exzellenz ermöglicht.

c. Gesellschafterbeiträge im Rahmen einer GbR-Innengesellschaft

Die gemeinsame Berufung im Berliner Modell, begründet als Forschungskooperation zwischen Hochschule und AUF im Regelfall10 eine BGB-Gesellschaft i.S.v. § 705 BGB11, die als solche nicht am Rechtsverkehr teilnimmt und kein Gesamthandsvermögen bildet12, sodass sie als Innen-GbR zu qualifizieren ist. Innengesellschaften, die ohne eigenes Vermögen, ohne Betrieb, ohne Rechtsfähigkeit und ohne Firma bestehen, sind umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich, weil ihnen mangels Auftretens nach außen die Unternehmereigenschaft fehlt.13 Auch soweit die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) in der Beschreibung des Modells darlegt, dass die Hochschule die Bezüge in voller Höhe zahlt und die Forschungseinrichtung der Hochschule die Bezüge zuzüglich eines Versorgungszuschlags „erstattet“ 14, ändert dies nichts an der gesellschaftsrechtlichen Qualifikation als Innen-(Forschungs)GbR.

Gesellschaftszweck der GbR ist die möglichst enge wissenschaftliche Forschungskooperation durch personelle Verbindungen unter Vermeidung institutioneller und administrativer Hürden mittels der in der berufenen Person vereinten Möglichkeit, an der Hochschule erworbene grundlagenorientierte wissenschaftliche Erkenntnisse durch die Verbindung mit der ergänzend dazu durchgeführten außeruniversitären Forschung in der AUF praktisch zur Anwendung bringen zu können und umgekehrt die Erkenntnisse daraus in die wissenschaftliche Lehre einbringen zu können. Der Gesellschaftszweck besteht dabei während der Dauer der Berufung fort.

Der Gesellschaftszweck repräsentiert insoweit ein „gemeinsames Eigeninteresse“ der Gesellschafter. Besteht auf Seiten einer der beteiligten Einrichtungen und der Hochschullehrerinnen und -lehrer kein Eigeninteresse an einer Kooperation, kommt es zu einer solchen erst gar nicht. Insbesondere ist der Gesellschafterbeitrag der Hochschule nicht auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet.

Die Berufung einschließlich Kostentragung im Rahmen des Berliner Modells erfolgt innerhalb des gesellschaftsrechtlichen Beitragsverhältnisses; ein schuldrechtliches Sonderentgelt an einen der Gesellschafter wird nicht gezahlt. Für die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhangs im Sinne eines Austauschs von Leistung und Gegenleistung genügt es nicht schon, dass die Mitglieder der Personenvereinigung lediglich gemeinschaftlich die Kosten für den Erwerb und die Unterhaltung eines Wirtschaftsguts tragen, das sie gemeinsam nutzen wollen oder nutzen15.

Entsprechendes muss für die gemeinsame Kostentragung der Forschungskooperation zum gemeinsamen Nutzen der Mitglieder der GbR gelten.

Dies entspricht sinngemäß auch der umsatzsteuerlichen Behandlung, die im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften im Baugewerbe erfolgt (vgl. Abschn. 1.6 Abs. 8 Satz 2 UStAE). Im Rahmen der Forschungskooperation erfolgt dabei zusätzlich zu den Gesellschafterbeiträgen keine Berechnung des zur Verfügung gestellten Personals bzw. der Forschungsinfrastruktur an die Gesellschafter. Eine Differenz zwischen den vereinbarten und der tatsächlichen Tätigkeiten des Hochschullehrers bzw. der Hochschullehrerin für die AUF wird von den Kooperationspartnern nicht ausgeglichen. Insbesondere ein „Spitzenausgleich“ findet daher nicht statt.

Dementsprechend ist das Berliner Modell als nicht umsatzsteuerbarer Tatbestand anzusehen.

III. Sonstige Kooperationen zwischen Hochschulen und AUF

Auch außerhalb von gemeinsamen Berufungen, also unterhalb der Institutsleitungsebene, finden Kooperationen zwischen Hochschulen und AUF statt, die sich in der Regel auf Forschungsinfrastruktur beziehen (Beispiele: Studierende in der Abschlussphase an einer Hochschule werden auf Empfehlung der Hochschullehrerin bzw. des Hochschullehrers beider AUF angestellt und erhalten für die Masterarbeit Zugang zum Technologiedemonstrator der AUF; eine Forscherin oder ein Forscher der AUF nutzt ein Messgerät der Hochschule für die Entwicklung eines neuen chemischen Verfahrens, eine Hochschullehrkraft diskutiert die Lösung eines technologischen Problems mit der Projektleitung der AUF, etc.).

Die oben dargestellte umsatzsteuerrechtliche Argumentation gilt gleichermaßen für die Nutzung von Forschungsinfrastruktur durch die jeweils beteiligten Partner der Forschungskooperation, die als echte Gesellschafterbeiträge zu qualifizieren sind. Die einzelnen Beiträge werden als gesellschaftsrechtliche Beiträge an die Innen-GbR als „Kooperationsträger“ geleistet. Im Übrigen geht es auch in diesen Fällen nicht um die Verschaffung verbrauchsfähiger Vorteile für den anderen Partner, sondern um das wissenschaftliche Eigeninteresse jedes Partners an der Kooperation.

Die fehlerhafte Annahme einer Umsatzsteuerbarkeit derartiger (häufig informeller) Kooperationen würde letztlich das Ende dieser Kooperationen bedeuten.
Gerade bei nicht vorsteuerabzugsberechtigen Kooperationspartnern würde sich die steuerliche Belastung ggf. stark auswirken. Vor allem aber würde der mit der Besteuerung verbundene erhebliche administrative Aufwand (Bewertung der Kooperationsanteile/-leistungen im Einzelfall, Rechnungsstellung, Buchführung, etc.) voraussichtlich dazu führen, dass auf die sinnvolle und gesetzlich intendierte Kooperation von Einrichtungen der Spitzenforschung in Zukunft verzichtet wird.

Der im Wissenschaftsbereich stets erforderlichen Flexibilität (auch einer der Grundgedanken des Art. 5 Abs. 3 GG) wird damit jedenfalls nicht Rechnung getragen.

IV. Verwertung der Ergebnisse durch AUF bzw. Hochschule

Die Verwertung der gemeinsamen Forschungsergebnisse erfolgt jeweils selbstständig durch die Gesellschafter, die AUF und die Hochschule. Erst in diesem Stadium kommt eine Steuerbarkeit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Betracht, soweit durch einen der Gesellschafter entgeltliche Umsätze gegenüber Dritten ausgeführt werden.

  1. Die nachfolgend beschriebenen Gemeinsamen Berufungen sind zu verstehen als die im GWK-Heft 37 (Gemeinsame Berufungen von leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durch Hochschulen und außerhochschulische Forschungseinrichtungen – Bericht und Empfehlungen der Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Gemeinsame Berufungen” des Ausschusses der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz – Fortschreibung – vom Ausschuss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 4. Februar 2014 verabschiedet) beschriebenen Modelle.
  2. Vgl. Madeja, Die Institution der Universitätsmedizin als Subjekt der Umsatzsteuer – Verfassungs- und umsatzsteuer-rechtliche Problemfelder des Kooperationsmodells insbesondere in der Personalgestellung, 2013, S. 248.
  3. Vgl. hierzu § 22 Satz 3 Hochschulrahmengesetz (HRG), Art. 5 Abs. 3 GG.
  4. Vgl. Madeja, a.a.O.
  5. Vgl. § 22 Satz 1 HRG: „Die Forschung in den Hochschulen dient der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse so-wie der wissenschaftlichen Grundlegung und Weiterentwicklung von Lehre und Studium“. Vgl. ferner § 2 Abs. 6 und 7 HRG: „Hochschulen wirken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben untereinander und mit anderen staatlichen und staatlich geförderten Forschungs- und Bildungseinrichtungen zusammen. Sie fördern den Wissens- und Technologietransfer.“
  6. § 2b Abs. 2 UStG ist kein abschließender Katalog („insbesondere“).
  7. Art. 5 Abs. 3 GG sowie zu Art. 10 EMRK, siehe EGMR Urt. v. 23.6.2009 – 17089/03 Rn. 35 – Sorguc/Türkei; NVwZ 2011, 153 Rn. 43 – Lombardi Vallauri/Italien.
  8. Vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 HRG (in Abweichung von den allgemeinen beamtenrechtlichen Regelungen §§ 17 Abs. 1, 18 Abs.1 S. 1 BRRG), zum Teil auch in den Hochschulgesetzen der Länder, z.B. in § 10 Abs. 2 Satz 1 BayHSchPG.
  9. Vgl. z.B. §§ 47 Abs. 2, 48 Abs. 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG).
  10. Ausnahmen möglich, je nach Vertragsgestaltung (z.B. falls ausnahmsweise kein strategischer Einsatz des Berliner Modells beabsichtigt).
  11. Vgl. OLG München, Urteil vom 08.09.2003, Az.: 31 U 3044/03.
  12. Vgl. zu diesen Voraussetzungen Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 705 Rn. 283.
  13. Abschn. 2.1 Abs. 5 Satz 1 UStAE.
  14. GWK, Heft 37, Kap. 2.2.
  15. Abschn. 1.6 Abs. 3 Satz 7 UStAE.

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